Das Schwulenverbot für das Priesteramt ist da
Wie ein Damoklesschwert hing es seit gut zwei Jahren über den "Personal-Eingängen" zur katholischen Kirche. Gemeint ist die Erwartung eines Dokumentes, das Schwulen in Zukunft keinen Zugang mehr zur Diakonats- oder Priesterweihe geben will. Nun ist es Wirklichkeit geworden.
Erwartet hat man es schon im letzten Jahr, aber das gab es noch einen andern Papst, der sein Ende ahnte und als der neue da war, wollte man es mit den Jugendlichen in Köln nicht verderben und sparte sich die Zerreissprobe, die das Dokument mit Sicherheit für die Kirche auslösen wird, auf die Zeit nach dem Weltjugendtreffen auf.
Durchgesickert ist er schon seit einigen Wochen, vor allem Berichte aus der «New York Times» haben schon im September zu Spekulationen Anlass gegeben. Auch jetzt ist die Information eine ganze Woche vor dem geplanten Termin an die Weltöffentlichkeit geraten. Die Befürchtungen haben sich nicht ganz erfüllt. Der Text ist etwas milder ausgefallen, als erwartet. So sollen Männer mit homosexuellen Tendenzen, die nicht seit mindestens drei Jahren keusch leben, künftig nicht mehr zum Priester geweiht werden.
Allerdings sollen auch Schwule, die sich geoutet haben, ausgeschlossen werden. Ausgeschlossen werden sollen auch Anwärter, die sich offen zu ihrer sexuellen Neigung bekennen und etwa Schwulen-Treffs besuchen. Selbst ein lediglich intellektuelles Bekenntnis zur "homosexuellen Kultur" kann für ein innerkirchliches "Berufsverbot" reichen."
Würde da die Mitgliedschaft bei Adamim auch bereits "genügen"?
Das Dokument wurde vom polnischen Kardinal Zenon Grocholewski, dem Vorsitzenden der Kongregation für katholische Erziehung, unterzeichnet und vom Papst noch auf seiner Sommerresidenz Castel Gandolfo genehmigt.
Was ist nun zu erwarten? Auch wenn es ausdrücklich heisst, dass das für die ganze Kirche gelten soll, werden von Bischof zu Bischof oder von Kloster zu Kloster sicher nicht die gleichen Massstäbe angewandt werden.
Was die Schweiz anbelangt, so haben die Schweizer Bischöfe klug, sofort reagiert, und noch bevor der Vatikan das Dokument, das inzwischen in allen Sprachen im Internet zu lesen ist, offiziell herausgibt, eine Stellungsnahme abgegeben. Darin heisst es unter anderem:
"Wir sind uns bewusst, dass in unserem Priesterkollegium und in unseren Seminarien Mitbrüder leben, die sich als Menschen mit heterosexueller Orientierung und Mitbrüder, die sich als Menschen mit homosexueller Orientierung erfahren. Jeder soll als Mensch und Mitbruder akzeptiert und respektiert werden. Unabhängig von unserer sexuellen Orientierung haben wir uns entschieden zu einem Leben in eheloser Keuschheit. Im Mittelpunkt unserer Abklärungen zur Zulassung zum Priesteramt steht nicht die sexuelle Orientierung, sondern die Bereitschaft zur konsequenten Christusnachfolge."
Dieses Statement gibt die Haltung wieder, die die Schweizer Bischöfe im Pastoralschreiben "Haltung der Schweizer Bischofskonferenz zur Frage der kirchlichen Segnung gleichgeschlechtlicher Paare und der kirchlichen Anstellung von Personen, die in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft leben" im Oktober 2002 veröffentlicht haben.
Das wirkt im Moment mal tröstlich. Wird hier doch unterschieden zwischen sexueller Ausrichtung und sexueller Praxis. Wir betonen zwar immer, dass sexuelle Ausrichtung und sexuelle Praxis nicht getrennt werden können, aber in diesem Falle eben halt doch: Der Zölibat - was immer man nun mal davon hält oder nicht - gilt logischerweise nicht nur für Heteros. (Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Das ist eine nüchterne Feststellung und keine moralische Wertung meinerseits.)
Problematischer ist es mit der Definition: "Tiefsitzende homosexuelle Tendenz". Was soll das heissen? Wer wirklich schwul ist, der ist es einfach und damit ist es auch tiefsitzend - und sogar eine Tatsache, nicht nur eine Tendenz. Nicht überall wird mit so gesundem Menschenverstand reagiert, wie es jetzt in der Schweiz den Anschein macht. Die Interpretation lässt es jedenfalls spielend zu, dass Bischöfe, Novizenmeister oder Regens in aller Welt jeden, der wirklich schwul ist, als einen Priesteramtsanwärter mit "tiefsitzender homosexueller Tendenz" bezeichnen können. Und dazu muss er gar nicht erst Enthaltsamkeit nachweisen können (was übrigens ein Heterosexueller nie nachweisen muss).
Ausserdem ist die in der Weisung benützte Formulierung nicht nur für angehende Priester, die schwul sind, eine absolute Beleidigung. Auch ich muss mich jetzt fragen, ob ich mich allen Ernstes "in einer Situation befinde, die mich schwerwiegend an der korrekten Beziehungsaufnahme zu Männern und Frauen behindert"? Auch wird mir gesagt, dass ich eine sexuelle Störung habe und dass ich keine affektive Reife aufweise. Und das sagt mir meine geliebte Kirche, für die ich alles geopfert habe und der ich seit Jahren diene.
So besteht die ganz grosse Gefahr, dass jetzt auch wieder viele, bzw. noch mehr als bisher ihre Homosexualität verdrängen, und mit einer Lebenslüge leben müssen. Der Rückzug ins Ghetto steht vielen als einzige Überlebenschance in dieser Kirche bevor. Plötzlich ist jetzt keiner mehr schwul. Alle sind sie auf einen Schlag geheilt, haben es "überwunden" weil es ja nur ein "Ausdruck eines Übergangsproblemes war - wie zum Beispiel im Falle eines noch nicht abgeschlossenen Erwachsenwerdens". Eine gefährliche Sache. Denn früher oder später kommt es unweigerlich zurück, so wie die Haare in der alten Farbe nachwachsen, auch wenn man sie blond oder schwarz gefärbt hat.
Eine ebenso grosse Gefahr liegt in den Folgeerscheinungen, die dieses Dokument nach sich ziehen wird. Es wir unweigerlich wieder vermehr zur Schwulenhatz kommen - denn man hat ja den Papst im Rücken.
Schlimm ist nämlich vor allem die Tatsache, dass der Vatikan als Begründung die Übergriffe von amerikanischen Priestern an Kindern und Jugendlichen zum Anlass nimmt, und einmal mehr wieder die Gleichung: "Schwul = Pädophil" zieht. Eine Institution wie die katholische Kirche, die ja auch immer Absolutheitsanspruch erhebt, wenn es um theologische Fragen geht, sollte auch in Sachen Psychologie und Menschenkenntnis mehr Professionalität haben. Wenn nämlich die Kirche das behauptet, dann glauben das Millionen einfach vorbehaltlos.
So verurteilt etwa «Dignity USA» in aller Schärfe das Vorgehen in Rom: "Der Vatikan starrt nach wie vor auf Homosexualität, er ist fehlgeleitet in Bezug auf menschliche Sexualität [allgemein], und er geht in dem Problem des sexuellen Missbrauchs in der Kirche in die falsche Richtung", stellte Debbie Wells, Geschäftsführerin von «Dignity USA», fest. "Eine kritische Beurteilung der Programme der Priesterseminare mag in der Aufarbeitung der Krise des sexuellen Missbrauchs angemessen sein - eine offensichtliche Hexenjagd nach homosexuellen Seminaristen und nach Lehrenden, die sie unterstützen, ist es nicht. Die Kirche fördert ein Klima der Feindschaft gegen einige ihrer besten Priester und Bischöfe. Dies ist nicht die Kirche, die zu sein Christus uns aufgerufen hat."
"Während der Vatikan darin versagt, die wahren Kernpunkte der Krise des sexuellen Missbrauchs angemessen zu behandeln," erinnert «Dignity USA» die Führer der Kirche an mehrere Schlüsselpunkte:
"Experten auf dem Gebiet der Sexualität haben, wie berichtet wird, dem Vatikan dargelegt, dass es keine Verbindung zwischen Pädophilie und Homosexualität gibt,
-Schwule Priester sind nicht die Ursache der Krise des sexuellen Missbrauchs in der Kirche,
-Führer der Kirche haben ihre Verantwortung nicht übernommen, und sie wurden von der Kirche nicht angemessen zur Rechenschaft gezogen für ihr Versagen, sich angemessen der immer noch fortdauernden Krise des sexuellen Missbrauchs in der Kirche anzunehmen,
-Kandidaten für das Priesteramt sollten beurteilt werden in Bezug auf ihre sexuelle Reife und die Wahrscheinlichkeit, dass sie den Zölibat einhalten werden, nicht in Bezug auf ihre sexuelle Orientierung", fuhr Weill fort.
Wie die fundamentalistischen Kreise reagieren, wage ich gar nicht vorherzusehen. So begrüsst etwa Mike Sullivan, Sprecher der konservativen Gruppe «Catholics United for the Faith» das rigorose Vorgehen der Kirche und fügt dazu: schwule Seminaristen zuzulassen sei in etwa so, als wenn man einen Alkoholiker in eine Bar schicke. Zu solchen Äusserungen erübrigt sich jeder Kommentar.
Und wir? Bleiben dran! Es steht uns ein frostiger Winter bevor.
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