Nathan, kath. Ordensmann

Eine innige Gottesbeziehung und ein im Alltag gelebter Glaube waren für mich stets Inbegriff eines geglückten Lebens. So habe ich Theologie studiert, um mich kritisch im Evangelium zu vertiefen, selbst als Person zu wachsen und mich in den Dienst der Kirche zu stellen. Dass das Schwulsein unauslöschlich zu mir gehört und ich mit hohen, ethischen Idealen Männer liebte, ist in mir langsam, aber mit Gewissheit gewachsen, so wie meine geistliche Berufung. Da klopfte ich an die Tür eines Bischofs und fragte, ob es für mich als paradoxes Geschöpf einen Platz in der Kirche gäbe. Die Begegnung ging nicht befriedigend aus. Ich war bereit, mein Schwulsein zölibatär zu leben, und fragte in einem Orden an. Da erhielt ich eine vernünftige und sehr menschliche Antwort: Dein Schwulsein ist kein Hindernis einzutreten. Deine Sexualität soll von Liebe geformt und in deine Person integriert sein, wie bei allen andern auch. In einer Berufung sind andere Charakterzüge von grösserer Wichtigkeit. Alles wurde in der Noviziatszeit sorgfältig geprüft, wie bei den Mitnovizen. Heute bin ich glücklicher Ordensmann und Priester.

 

Literatur:

Hans van der Geest, Verschwiegene und abgelehnte Formen der Sexualität. Ein christliche Sicht, Theologischer Verlag Zürich, Zürich 1990.

Martin Steinhäuser, Homosexualität als Schöpfungserfahrung. Ein Beitrag zur theologischen Urteilsbegründung, Quell Verlag, Stuttgart 1998.